Dienstag, 28. August 2018

Neue Schilder auf der Mariannenbrücke. Weitere Zerstörung der Isarkultur.


Wie jedes Jahr hat auch heuer die Stadt die Ästhetik des Landschaftsschutzgebiets verändert und gegen elementare Gestaltungsgrundsätze des hochwertigen urbanen Landschaftsbaus verstoßen. Es traf die Mariannenbrücke, dem Eingangstor bei St. Lukas. Sie markierte bisher den Übergang vom verdichteten urbanen Gebiet mit einem Verkehrschaos hin zu einem Freiraum besonderer Qualität. Von der Brücke hatte man immer ungestörte Blicke auf die klarer Linienführung der Isarbecken. Es entwickelte sich beim Flaneur schon hier ein Gefühl der Erhabenheit über den Dreck der Stadt und erfüllte ihn mit tiefer Befriedigung über die offenkundige Grandezza, die München an vielen Orten noch hat. 


Damit ist es nun vorbei. Irgendjemand hat festgestellt, dass sich Radfahrer und Fußgänger kreuz und quer auf der Mariannenbrücke bewegen. Es fehlten Warnzeichen und eine geregelte Verkehrsführung. Die Stadt hat sich für das Verkehrszeichen Nr. 625 der Straßenverkehrsordnung entschieden: Richtungstafel in Kurven als Einrichtung zur Kennzeichnung von dauerhaften Hindernissen oder sonstigen gefährlichen Stellen. 


Der Eintritt ins Landschaftsschutzgebiet Isarauen erfolgt nun zwischen vier solchen Schildern. Man konzentriert sich ab sofort auf irgendwelche Gefahren, sieht Rot, geht keine Kurven mehr, sondern lässt sich durch die Mitte leiten. Weg mit dem Freiheitsgefühl. Das noch wahrnehmbare Wunder der freien Isarbecken eingezwängt von zwei physischen und natürlich spürbaren Einengungen. Farbe, Form und Material: ohne Worte.


Als öffentliches Interesse für diese Barbarei benennt man die Schaffung von Fahrradstellplätzen. Zwischen den Schildern wurden nämlich die Münchner Fahrrad-Stellagen platziert. Diese verhindern den Zugang zum Brückengeländer und damit die Möglichkeit, sich dort aufstützend in Gedanken aller Art zu verfallen und den Platz zu preisen. Die ikonenhafte Trauerweide verliert ihre einnehmende Stellung. Die Aussichtsbrücke wurde zum Fahrradabstellplatz entwürdigt. 


Alles nur der Anfang. Die Leute werden langsam an weitere Zerstörungsmaßnahmen gewöhnt. Es kommen der Umbau des Alpenvereinsgrundstücks zur Eventzone. Ebenso werden die klaren Linien der Isarbecken gebrochen und zwar mit "Balkonen" und "Treppen". Klassischer urbaner Freiraum mit der Qualität eines Landschaftsschutzgebiets wird zugestellt wie eine Rumpelkammer. 


Das neue Konzept der Umgestaltung der Isar lässt sich an vielen Stellen erkennen. Hier sehen Sie das Müller´sche Volksbad im Hintergrund vom Vater-Rhein-Brunnen aus. Für diesen Blick hat man heuer im Frühjahr den Rand der Isar total radikal gerodet. Sträucher, Holunder, Vögel, Insekten, die gesamte Wildästhetik wurde vernichtet. Das Transparent eines Sportvereins dokumentiert den Einzug der Dorfkultur in eine urbane Kernzone gelebter Individualität ohne Versammlungszwang. Die Strandkörbe: ohne Worte. 


Wenigstens kennt man die Köpfe, die diese Zerstörung der Münchner Isarkultur ersinnen und durchsetzen. Links Benjamin David, Betreiber des "Kulturstrands" (Oberurbanaut) und Elisabeth Merk, Stadtbaurätin. Vollintegriert im alles beeinflussenden Großstadtmilieu der Foodtrucks, Freitag-Taschen, Lastenräder und des vollbärtigen Craftbiers sehen Sie die Isar als Verkehrsfläche für die Zusammenführung von Menschenmassen. Stille Genießer, Flaneure, Ästheten und Denker sollen verschwinden. Es muss laut sein, schrill und vermasst und das mit entsprechenden Gestaltungsmitteln. Am meisten hassen sie Anwohner, auch wenn es nur wenige sind, die um ihren Lebensraum kämpfen. So werden Bezirksausschüsse entmachtet, Kritikern der Zugang zu bürgerlichen Beteiligungsformen verwehrt, die finanziell abhängigen Medien mit manipulierten Informationen gespeist. Man kann dieser faschistisch angehauchten Kulturzerstörung jedoch zweifellos anrechnen, dass sie seit Jahren das Fehlen jeglichen Bürgerstolzes manifestiert. Es gibt keine Lobby für das Landschaftsschutzgebiet Isarauen. Nur in Haidhausen hat sich ein Bürgertum gezeigt, das sich gegen die Errichtung eines Großbiergartens in den Maximiliansanlagen wandte. Die Abholzung schönster Bäume am Deutschen Museum hat allenfalls ein Achselzucken bei Betroffenen ausgelöst. Die Totalverkneipung im betonierten Konsumzoo wird hingenommen. 

Man kann diesen Wandel also nur dokumentieren und seine Umgebung mental aufgeben. Mir wurde gesagt, die Anwohner und Isarliebhaber hätten ja noch den Winter und Regentage, an denen wenig los sei. Natur oder ein Landschaftsschutzgebiet in der Stadt sei sowieso völlig daneben. Man solle sich da an Zürich und Kopenhagen ein Beispiel nehmen. Das freie Baden müsse endlich organisiert werden. Jeglicher Charakter eines freien, selbstbestimmten Menschen passe nicht mehr in die Zeit. Die Leute sollen sich in Gruppen und Vereinen organisieren und Gutes für die Gesellschaft leisten. Das Gute werde vom genannten Milieu vorgegeben, der Rest erledige sich von alleine.  

Früher nannte man das Gehirnwäsche. Heute heißt es Anpassungsfähigkeit.