Sonntag, 31. März 2019

Die Zerstörung der nördlichen Wilden Isar

Wie jedes Jahr, so auch heuer wieder: Die erste Radtour der Isar entlang von München nach Norden lässt Schreckliches erwarten. Seit vier Jahren wird das ehemalige Weltklasse-Landschaftsschutzgebiet  Isarauen systematisch zerstört und seiner Wildästhetik beraubt. Für Kenner und Liebhaber sind die Auswüchse der Auslöschung von Wildheit wie ein Schlag in den Unterleib: dumpf, ohne Abwehrmöglichkeit und jeglichen Respekt vor menschlicher Sinneswahrnehmung vermissend.

Beginnen wir mit der Ostseite der Isar bei Unterföhring. Ehemals ein Dschungel, eine Flussaue, die wild und unberührt wirkte. Der Damm des Isarkanals gepflegt verwildert. Die Forstwirschaft unsichtbar. Der Isarradweg und ein paar Wirtschaftswege kaum zu bemerken. Nicht besonders breit, bemoost, uneben und die Vorstellung verleihend, im Regenwald des bayerischen Amazonas zu radeln. Der Uferbereich der Isar war streckenweise undurchdringlich. Man respektierte die Pflanzen und Tiere, die mit Dornen und Gestrüpp umzugehen wussten und erfreute sich an der Szenerie, die ein starkes Gefühl des Einsseins mit der Schöpfung aufkommen ließ.

Die Zerstörung dieses Wildidylls begann dann mit dem Hochwasser 2013. Der Radweg, der nahe am Ufer verlief, war ein bisschen beschädigt und wurde als irreparabel eingeordnet. Das hatte zur Folge, dass eine breite Straße in den Regenwald hinein gekiest wurde. Mit kleinen Huckeln und Buckeln und Kurven war es damit vorbei. Es war der erste Radschnellweg Münchens entstanden: gerade, breit, eben und ohne Bäume und Gebüsch, das ja einem Radfahrer auf den Kopf fallen könnte. Was damals noch möglich war: Den alten Weg gab man der Natur zurück. Bagger gruben Teile davon um. Nicht mal Crossbiker war es möglich, die hineingelegten Baumstämme zu überwinden. Nur gehende Naturgenießer waren in der Lage, an die Isar vorzudringen. Ein nobler Ersatz für die Schneise, die wegen der neuen Straße geschlagen wurde. Einmal mehr zeigte sich die gewohnte Weltklasse Verantwortlicher, die den Charakter der Isarauen begriffen hatten und ihn bewahren halfen.

Es ging nicht lange gut. Neue Verantwortliche ohne Bezug zum Landschaftsschutzgebiet Isarauen, ohne Bezug oder gar Gefühl zu Menschen, die gerade die Wildästhetik und die unberührten Stellen schätzen und lieben: Diese Verantwortlichen rodeten die Böschung am Damm des Isarkanals, räumten den Uferweg frei, schnitten jeglichen Ansatz eines Gebüschs an diesem Uferweg weg und sorgten dafür, dass die Isar nun über Kilometer hinweg für Massen zugänglich ist: ein Hauptziel westlicher Zivilisation seit einigen Jahren. Das sieht nun so aus:








Grillende Partypeople hat es in diesem Bereich 40 Jahre nicht gegeben. Auch weiter oben am Poschinger Weiher fand sich ein das erste Monstergrillen der Saison und rief wehmütige Erinnerungen an erhabene Wildtiererlebnisse mit schwimmenden Bibern und hungrigen Bussarden hervor. Die Zeiten sind vorbei.


Dazu kommt noch das sogenannte Eschensterben, das heuer zur Ausholzung großer Bereiche des Auwalds geführt hat. Dass es sich nicht immer um Eschen handelt, sieht man. Was hätte ich der Waldbesitzervereinigung geben müssen, um die schönsten Bäume zu erhalten?






Ein Stich ins Herz dann am ehemals schönsten, vielen verborgene Teil des Isarradwegs. Eine alte, eingewachsene Strecke, von Wald umsäumt, die Oberfläche weich vom Moos und den Fichtennadeln, die in der Mitte liegenblieben. Welch ein Genuss, die Tretkurbel mit minimaler Kraft zu bewegen und den Zahnriemen zu fühlen, wie er sich laut- und nahtlos an das Ritzel schmiegt. Das ganze Bewegungsspiel von Mensch, Technik und Oberfläche vereinte sich zu einer Gesamterfahrung, verdichtet durch die unmittelbare Wahrnehmung der Natur. Auch Autofahrer und Piloten kennen dieses Gefühl zwischen Erdung und höherer Sphäre. Leider hat man einen Teil des Fichtenwaldes gerodet und dieser Genuss fällt künftig weg. Nächstes Jahr ist wahrscheinlich die nächste noch verbliebene Baumreihe dran. Ob aufgeforstet wird?



Es gibt noch ein paar Juwelen am Isarradweg, die an die alte Liebe der Einheimischen, Locals, Native People, Autochthonen oder Indigenen erinnert. Verbotsschilder zum Beispiel aus einer Zeit, in der man natürlichen Lebensraum noch zu verteidigen wusste. Ohne die großen Generationen, die solche Schilder aufgestellt und vollzogen haben, wäre die Isar schon heute ein Rummelplatz, wie sie es in wenigen Jahren sein wird und zwar von München bis Freising. Da hilft auch kein Heimatministerium.


Nur eine Szenerie bezeugt, dass noch Menschen in Verantwortung stehen, die ein Gespür für Wildästhetik haben. Einer hat sich getraut, nach der notwendigen Fällung eines im Sturm beschädigten Baums, gerade diesen in der Isar liegen zu lassen. Vielleicht lässt man ihn noch eine Weile dort. Stille Naturgenießer werden sich ob des Motivs erfreuen und ihre Seele reinigen.



Andere freuen sich, dass sie über den neuen vierspurigen Föhringer Ring schneller von A nach B kommen.





Zur Aufgabe jeglichen gestalterischen Anspruchs passt auch die neue Architektur. Auf der Hangkante bei Unterföhring beweisen Bauherr und Architekt, dass sie den ursprünglichen Charakter der wilden Isar negieren und die Landschaft nach ihren Vorstellungen formen. Die Altbewohner erfreuten sich, wie links zu sehen ist, der Vegetation und ließen Bewuchs stehen. Der Bereich rechts und unten ist mittlerweile plattgemacht und für Naturgenießer wertlos. Hauptsache, die Aussicht der Neubewohner ist frei.


Und auch der Herzogpark hat gelitten. Wie schön war die Zeit, als man stolz auf seine Superreichen war, die im Hintergrund agierten, aber immer Sinn für ihre Umgebung hatten. Vor allem waren sie so cool, ihr Baurecht nicht auszunutzen, sondern große Gärten zu unterhalten und sich in ihrer Villa hinter Gebüsch zurückzuziehen. Alles vorbei. Man baut auch im ehemaligen gediegenen Viertel Kästen mit Wohnungen hin und entzieht dem Bereich die Exklusivität, die einer städtischen Oberklasse immer zu eigen war: das Zeigen, dass man nicht jeden Winkel wirtschaftlich verwerten muss. Man konnte sich wilde Gärten leisten.



Bleibt noch die letzte Hoffnung Englischer Garten. Dort, so meinte man, sei die Zeit stillgestanden und das Weltklasseformat Münchner Isarkultur würde gepflegt. Die Bilder sprechen eine andere Sprache. Oben sieht man das Gerüst des neuen Parkhauses am Bayerischen Rundfunk in Freimann nebst Schuttdeponie. Unten ein Baumstumpf am Oberföhringer Wehr, der keine Zeichen von Fäulnis hat. Irgendeinen Grund für die Fällung werden die neuen Verantwortungsträger schon zu formulieren wissen.



Oje, sagen Sie, was kann man tun? Nichts. Ich dokumentiere den Wandel. Die Menschen, die in den 70ern, 80ern die Naturschutzbewegung getragen haben, sterben weg. Die 40-60jährigen, die davon durch die erhaltene Natur profitiert haben, stecken im Arbeitsprozess und kümmern sich um den materiellen Wohlstand. Und die Jüngeren kennen es nicht anders. Die Zerstörung kann nur aufgehalten werden, wenn die Verantwortlichen in den Schlüsselpositionen ausgetauscht werden. Bis dahin sollte man alles versuchen, um die noch vorhandenen Schönheiten der Wilden Isar aufzunehmen und sie in der Erinnerung persönlich zu verewigen. Man muss immer weiter gehen, um sie noch zu finden.

Dienstag, 12. März 2019

Offener Brief an Frau Herzogin Helene in Bayern

Sehr geehrte Frau Herzogin Helene in Bayern,

laut Münchner Merkur ist Ihnen ein Hund entlaufen, weil er nicht angeleint war. Wildfleck hat dafür kein Verständnis. Freilaufende Hunde hetzen Wildtiere und reißen Rehe. Sie gehen auch vielen stillen Naturgenießern, Wanderern und Spaziergängern auf die Nerven. Mit groß angelegten Suchaktionen werden Steuerzahler mit diesem Hobby Weniger belastet. Einzelne Hundehalter genießen die Aufmerksamkeit, die dieses Thema bietet.

Wir hoffen, Sie bilden sich fort, z. B. bei der Jägerschaft vor Ort. Gute Jäger erziehen ihre Hunde im Frühstadium und nehmen Rücksicht auf Mensch und Tier. Viele Menschen wollen in freier Natur Wildtiere sehen oder spüren, dass es Wildtiere gibt. Sie wollen nicht freilaufenden Hunden ausgesetzt sein. In der ursprünglichen Natur werden Hunde als Fremdkörper wahrgenommen und als ästhetische Zumutung empfunden. Wenn Sie also schon einen Hund aus dem Haus lassen, leinen Sie ihn bitte an und achten Sie auf Ihre natur- und tierliebenden Mitmenschen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Stefan Engelsberger
München-Lehel

Hier geht es zum 
Münchner Merkur über die Hundesuchaktion